Der Rechtsstreit, den Apple und Samsung in den USA führen, wird immer unübersichtlicher. Immer wieder bekommt man Meldungen zu und Aussagen zu hören, die man nicht so recht einzuordnen vermag. „Lucy Koh evakuiert 450 Millionen Dollar aus dem Schadenersatz“, „Es könnten doch noch mehr als eine Milliarde Dollar werden“, „Der Prozess muss komplett neu aufgerollt werden“ – wie es denn nun genau aussieht und wie der Streit sich in nächster Zeit weiter gehen soll wird euch dieser Artikel verraten.
Der Schadenersatz steht noch lange nicht fest
Ungefähr eine Milliarden Dollar Schadenersatz sah das ursprüngliche Urteil vor, dass die Jury im August 2012 fällte. Nun unterscheidet sich das amerikanische Rechtssystem in einem Punkt nicht wirklich vom deutschen: Bis ein solches Urteil rechtskräftig ist, kann einiges an Zeit vergehen. So hat auch Samsung verschiedene Möglichkeiten wahrgenommen, gegen die Höhe des Schadenersatzes vorzugehen. Und das mit Erfolg. Im März evakuierte Richterin Lucy Koh ca. 450 Millionen US-Dollar aus der Schadenersatzsumme, da für 14 der 28 beanstandeten Samsung-Produkte der Schadenersatz nicht ausreichend nach den verletzten Patenten aufgeschlüsselt war. Bei vielen erweckte diese Maßnahme den Eindruck, dass dies bedeutet, dass die evakuierte Summe für Apple verloren ist. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr gibt es jetzt zwei Möglichkeiten, wie sich die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes weiterentwickeln kann.
Zwei Varianten für die Festlegung von neuem Schadenersatz
Die erste Variante wäre, die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes für die in Frage kommenden 14 Produkte mit einer anderen Jury neu zu verhandeln. Im Grunde liegt der Grund für die Evakuierung der 450 Millionen Dollar in einem Verfahrensfehler, nicht in einem Rechtsfehler. Hätte die Jury rund um den Vorsitzenden Velvin Hogan die Schadenersatzsumme für die 14 Produkte in ihrem Urteil richtig aufgeschlüsselt, dann wäre es nicht zu der Evakuierung gekommen. Mit anderen Worten: Nur, weil der Schadenersatz nun evakuiert wurde, bedeutet das nicht, dass Apple aus den 14 in Rede stehenden Produkten kein Schadenersatz mehr zusteht. Apple selber favorisiert diese Variante, da damit ein Schadenersatz in Höhe von knapp 600 Millionen Dollar sicher ist und in einem erneuten Prozess bei der erneuten Festlegung der Summe für die restlichen 14 Produkte auch ein Schadenersatz festgelegt werden kann, der die ursprünglichen 450 Million Dollar übersteigt. Unterm Strich könnte Apple damit auch deutlich mehr als eine Milliarde Dollar erhalten.
Samsung dagegen ist für eine andere Variante. Das Unternehmen argumentiert über den siebten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. Dieser enthält das Recht auf eine Jury in Zivilprozessen sowie ein Verbot für Gerichte, von einer Jury entschiedene Sachverhalte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu überprüfen. Nach Samsungs Auslegung dürfe bei einem neuen Prozess nicht einfach nur der Schadenersatz von einer neuen Jury erneut festgelegt werden, sondern es müsse auch die Frage erneut erörtert werden, ob die 14 Produkte überhaupt ein Patent von Apple verletzen.
Laut Florian Müller von FOSS Patents ist es üblich, dass die unterlegene Partei ein erneutes Verfahren möglichst breit ansetzen möchte, während die siegreiche Partei ein möglichst enges erneutes Verfahren anstrebt. Genau das erleben wir hier. Apple möchte die Sache möglichst schnell vom Tisch haben und strebt ein baldiges zweites Verfahren an, in dem lediglich die Schadenersatzhöhe für die 14 Produkte neu festgelegt wird. Samsung allerdings würde es bevorzugen, wenn das Verfahren in Kalifornien vorerst ausgesetzt wird und in einem zweiten Urteil die Frage nach der Notwendigkeit von Schadenersatz komplett neu beantwortet wird.
Auch die 600 Millionen Dollar, die aus dem ursprünglichen Urteil verblieben sind, sind seitens Samsung noch angreifbar, und es ist davon auszugehen, dass Samsung diese Möglichkeit auch wahrnehmen wird.
Die Bedeutung des Rubberbanding-Patents
Vor kurzem hat das US Patent and Trademark Office einen großen Teil von Apples Rubberbanding-Patent in einer finalen Office Action für ungültig erklärt. Apple hat jedoch noch mehrere Möglichkeiten, gegen die Entscheidung vorzugehen. Diese Entscheidung hat für Richterin Lucy Koh vorerst noch keine Auswirkungen auf das Verfahren, allerdings könnte sie als Argument für Samsung gelten, die Entscheidungen weiter aufzuschieben. Wenn sich das Rubberbanding-Patent als endgültig ungültig erweist, dann müsste definitiv ein neuer Schadenersatz für alle 28 Produkte festgelegt werden, möglicherweise müsste sogar das ganze Verfahren neu aufgerollt werden. Eine Prognose, wie der Schadenersatz ohne das Rubberbanding-Patent ausfallen würde, wagt auch Florian Müller nicht. Apples Multi-touch-Patent spielte allerdings eine sehr viel kleinere Rolle in dem Verfahren als die Design-Patente.
Auch ein Verkaufsverbot steht noch im Raum
Zu guter Letzt steht auch ein Verkaufsverbot für die in Frage kommenden Samsung-Produkte weiterhin im Raum. Zwar sprach sich Richterin Lucy Koh Ende 2012 gegen ein solches Verbot aus, aber auch gegen diese Entscheidung stehen noch Rechtsmittel Apples aus.
Unterm Strich kann man sagen, dass letztlich momentan noch alles möglich ist. Von einem komplett neuen Verfahren über das Bestehen des Teilurteils mit neuer Festlegung des Schadenersatzes für die 14 Produkte oder aber einer neuen Entscheidung bezüglich der Rechtsfrage, ob überhaupt Schadenersatz geleistet werden muss ist alles drin. Auch der Schadenersatz ist in keinster Weise gesichert. Es wäre theoretisch möglich, dass Apple in einem neuen Verfahren gar nichts zugesprochen bekommt. Genauso könnte der Schadenersatz letztlich deutlich steigen. Momentan ist das Verfahren in den USA ein Chaos aus Revisionen, Berufungen, Teilurteilen und unzähligen Fragen, die noch nicht wirklich beantwortet sind. Wir hoffen, uns ist es gelungen, euch wenigstens einen groben Überblick über den Stand der Dinge zu geben.
450 Milliarden ? Wohl ein kleiner Schreibfehler ;) Das wäre Samsungs ENDE
Ach verdammt. Ich komm da immer durcheinander. Danke^^
@Alexander
Sehr gute Zusammenfassung.
Ich denke es kommt nur drauf an wer von beiden das meiste Bestechungsgeld an Koh zahlt ;)
Die im Raum stehenden Summen sind doch für beide nur eine kleinigkeit für die Portokasse – möglicherweise geht es beiden Parteien lediglich um die Medienpräsenz – hat schon mal jemand nachgerechnet was Samsung und Apple für Werbezeiten bezahlen müßten um die gleiche Medienpräsenz zu erhalten wie mit diesem unsinnigen Prozess.
Einen schwierigen Sachverhalt gut dargestellt. Anerkennung!
„Hätte die Jury rund um den Vorsitzenden Velvin Hogan die Schadenersatzsumme für die 14 Produkte in ihrem Urteil richtig aufgeschlüsselt, dann wäre es nicht zu der Evakuierung gekommen.“
An dieser Stelle stellt sich für mich die Frage, warum die Aufschlüsselung durch den Laienvorsitz von der Richterin bzw. Experten nicht vor dem Urteil überprüft wurde.