Es ist nun schon ein wenig her, seitdem Facebook die Bombe platzen ließ und bekannt gab, dass man den Messaging-Service WhatsApp für insgesamt 19 Milliarden US-Dollar aufgekauft habe. Die initiale Aufregung um den Megadeal ist verflogen, der teilweise erwartete massive Userschwund bei WhatsApp ist bisher scheinbar ausgeblieben. Doch wie schließt man eigentlich ein Geschäft über 19 Milliarden US-Dollar? Die Publikation Forbes hat sich ausführlich damit beschäftigt, wie der Deal zwischen WhatsApp und Facebook zustande kam.
“Get together?” – die Mail, mit der alles begann
“Get together?” Das war der Betreff der E-Mail, die im Frühling 2012 in der Inbox von WhatsApp-Gründer Jan Koum landete. Eine Mail wie jede andere. Wäre da nicht der Absender gewesen: Mark Zuckerberg.
WhatsApp war Anfang 2012 bereits ein weltweites Phänomen mit 90 Millionen Nutzern und das weltweit am schnellsten anwachsende soziale Netz. Sogar Facebook war nach 3 Jahren “lediglich” auf 60 Millionen Nutzer angewachsen. Bereits 2012 waren 50 Prozent der WhatsApp-Nutzer täglich mit der App beschäftigt. Koum war es daher gewohnt, von Investoren angesprochen zu werden, die einen Teil des Profits abhaben wollte.
Dennoch, eine Mail von Mark Zuckerberg ist nichts Alltägliches. Der Facebook-Gründer hielt sich nicht mit vielen Worten auf, sondern lud Koum zum Abendessen ein. “Wenn jemand wie Mark Zuckerberg dich direkt anspricht, dann reagierst du”, sagte Brian Actor, der mit Koum zusammen WhatsApp gegründet hatte, später.
Die Verhandlungen begannen in einer deutschen Bäckerei
Koum und Zuckerberg trafen sich schließlich in Esther’s German Bakery (kein Scherz). Das Ladenlokal in Palo Alto verfügt über ein diskretes Hinterzimmer, in dem man ungestört reden konnte und bietet auch ein Abendmenü an. Zuckerberg teilte Koum mit, dass er seine Firma bewundere und ließ ihn wissen, dass er an einer Zusammenführung ihrer Unternehmen interessiert war.
Und so begann ein zwei Jahre andauerndes Pokerspiel rund um WhatsApp, in dessen Verlauf Koum und Zuckerberg zu Freunden wurden und das am Ende einer der lukrativsten Deals in der Geschichte der Tech-Industrie werden sollte. 4 Milliarden Dollar Bargeld, 12 Milliarden Dollar in Aktien (was einem Anteil von 8,5 Prozent an Facebook entspricht) und 3 Milliarden Dollar in RSUs ließ Mark Zuckerberg sich WhatsApp kosten. Koum, der ohne viel Besitz von der Ukraine in die USA auswanderte, erhält einen Platz im Facebook-Vorstand und wird – nach Steuern – 6, 8 Milliarden Dollar für sein Unternehmen erhalten. Brian Acton, der sich früher vergeblich bei Facebook und Twitter bewarb, erhält nach Steuern 3 Milliarden US-Dollar. Sequoia Capital, die einzige Investment-Firma, die von dem Deal profitierte, erhält 3,5 Milliarden Dollar, was verglichen mit den ursprünglich investierten 58 Millionen Dollar einen beachtlichen Profit darstellt.
Koum und Acton waren anfangs skeptisch
Zu Beginn der Verhandlungen waren sowohl Koum als auch Acton äußerst skeptisch. Beide hatten gerade 8 Millionen Dollar von Sequoia Capital erhalten und wollten nichts mehr, als unabhängig zu sein. Sie besuchten die häufig stattfindenden Networking-Events im Silicon Valley nur selten und standen Übernahmeangeboten von anderen Firmen (die es auch vor Zuckerberg zur Genüge gab) eher skeptisch gegenüber. Es gab auch lange kein schriftliches Angebot von Facebook. Stattdessen freundeten Zuckerberg und Koum sich an und trafen sich etwa einmal im Monat zum Abendessen.
Auch Google war angeblich interessiert
Im Juni 2013 lernte Koum Sundar Pichai kennen, der bei Google für Android und Chrome zuständig war. Die beiden unterhielten sich, und trafen sich dann auch öfter. Pichai ließ Anfang 2014 durchblicken, es sei eine gute Idee, wenn Koum seinen CEO Larry Page kennenlernen würde. Es wurde ein Treffen für den 11. Februar vereinbart.
Kurz vor dem Treffen traf ein Angestellter von WhatsApp zufällig auf Facebooks Manager Amin Zoufonoun, der auch maßgeblich an dem Deal mit Instagram beteiligt war, und erzählte diesem von dem Termin zwischen Page und Koum. Daraufhin erfuhr natürlich auch Zuckerberg davon, und entschloss sich zu schnellem Handeln.
Am Tag vor dem Treffen mit Page lud Zuckerberg Koum in sein Haus ein und unterbreitete endlich – nach mehr als zwei Jahren Vorbereitung – ein Angebot zur Übernahme. Teil des Angebots war, dass WhatsApp unabhängig bleiben und Koum einen Platz im Facebook-Vorstand erhalten. “Es war eine Partnerschaft, bei der ich ihm helfen würde, Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen. Die Kombination aus allem, worüber wir vorher redeten, machte die Sache interessant für uns”, erinnerte sich Koum später.
Am nächsten Tag trafen Koum und Acton sich dennoch wie verabredet mit Larry Page. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um die Welt der mobilen Kommunikation und die Ziele von WhatsApp. Es entstand nicht der Eindruck, dass Page an einer Übernahme interessiert sei. Allerdings könnte auch das erst der erste Schritt in einem langen Prozess gewesen sein, ähnlich wie bei dem Treffen von Koum und Zuckerberg 2012. Wenn dem so war, war Larry Page einfach zu spät dran.
Das 19 Milliarden Dollar Pokerspiel
Am darauffolgenden Donnerstag traf Acton in Zuckerbergs Haus zum ersten Mal auf den Facebook-Gründer. Zuckerberg sagte den beiden, dass er wollte, dass sie genau so weitermachen – nur mit Facebooks finanziellen und technologischen Mitteln im Hintergrund. Acton verließ das Treffen gegen 21 Uhr, und zwischen Koum und Zuckerberg begann ein Pokerspiel mit wirklich hohem Einsatz. Angeblich war Zuckerberg bereit, 15 Milliarden Dollar zu zahlen, Koum wollte aber eher an die 20 Milliarden. An diesem Abend sollte keine Einigung erreicht werden, Mark Zuckerberg bat Koum um Bedenkzeit.
Es sollte bis zum 15. Februar dauern, bis Koum und Zuckerberg eine Einigung erzielten. Der Facebook-Gründer bot Koum 19 Milliarden Dollar mit der vereinbarten Unabhängigkeit. Koum rief bei Acton an, der dem Deal mit den Worten “Ich mag Mark. Lass es uns durchziehen”, absegnete. Koum kehrte zu Zuckerberg zurück, und der Deal wurde mit einem Handschlag und einer Umarmung besiegelt.
Natürlich waren auf beiden Seiten Banker und Anwälte das ganze Wochenende beschäftigt, bevor die ganze Sache offiziell war, aber bevor alle Parteien sich auf den Weg nach Barcelona zum Mobile World Congress machten, war der Deal besiegelt.
Koum und Acton riefen vorher noch alle 56 Angestellte von WhatsApp zusammen, um die Nachricht mit ihnen zu teilen. Dabei betonten sie, dass alle ihren Job behalten würden und man weiter unabhängig arbeiten könne. Auch Mark Zuckerberg gesellte sich zu dem Treffen, um kurz zu den Angestellten zu sprechen.
Es geht nicht nur um Daten
Nun ist es an Facebook, aus den bezahlten 19 Milliarden Dollar Profit zu schlagen. Dabei geht es – anders als wie behauptet – nicht nur um die Daten der WhatsApp-User. Das Unternehmen zahlt umgerechnet 5 Cent pro User und Jahr, um den Betrieb zu gewährleisten. Bisher wird die 1 Dollar pro Jahr Gebühr für WhatsApp allerdings nur in einigen Ländern umgesetzt, ein Fakt, der sich bald ändern soll. WhatsApp hat noch sehr viel finanzielles Potenzial und der Deal wird sich für Facebook monetär lohnen, auch ohne dass man die Daten mit einbezieht. Dafür muss es allerdings gelingen, eine Massenabwanderung zu anderen Diensten zu verhindern.
vie The Loop
Schöne Story :)